
Very British - Lovely and great Teil 2
Auszeit in Yorkshire
Wow! Welch ein Panorama! Die 275 Stufen des Aufstiegs sind schnell vergessen. Ich stehe auf dem Turm des Münsters von York im Norden Englands. Das Münster ist eine der prächtigsten Kathedralen Europas, die größte gotische in ganz Nordeuropa. Der Blick an diesem schönen Augusttag reicht über die ganze Stadt mit ihren zahlreichen mittelalterlichen Elementen über die sanften Hügel der Umgebung, bis diese nach über 100 Kilometern mit dem Horizont verschmelzen. Es ist Mittagszeit. Da sind sie, die Glocken. Wie schön. Die kleineren Glocken des Münsters läuten, wie jede Stunde, die Hymne der Region mit dem Namen „York“. Die große Glocke, der „Große Peter“, schlägt hernach majestätisch die Stundenglocke, zwölfmal.
Der Turm überragt, wie die beiden weiteren quadratischen Türme, die Kathedrale mit ihren unglaublichen 175 Metern Länge. Abertausende von Details bezeugen die Kunstfertigkeit ihrer Erbauer, die sich dafür im Mittelalter 250 Jahre Zeit ließen bis zur Vollendung. Ein Beispiel: Die kunstvoll gestalteten Fensterwände. Die größte hat die Ausmaße eines Tennisfeldes!
Was mögen diese ernst dreinblickenden Steine schon alles gesehen haben? Die Kathedrale steht auf den Überresten von römischer Besiedlung. Der Vater von Konstantin, dem Gründer von Konstantinopel und Förderer des Christentums, ist an diesem Ort im Beisein seines Sohnes gestorben. Später folgten Wikinger und Normannen. Sie haben ihre Spuren hinterlassen. Bis heute. Teilweise finden sich noch normannische Ausdrücke im gesprochenen Dialekt.
Doch halt, worüber schreibe ich? York ist ja nur ein Zwischenstopp zu meinem Hauptziel, der Abtei Ampleforth. Aber die Stadt ist zu schön, um einfach vorbeizurauschen.

Blumenwiese
Der Park der Abtei lädt ein, den Blick schweifen zu lassen.
Aber dann geht’s weiter Richtung Norden. Außerhalb von der 200.000-Einwohnerstadt wird es gleich deutlich ruhiger und richtig ländlich. Die Gegend ist touristisch noch etwas im Dornröschenschlaf. Die wilden Küsten, mystischen Moore und lieblichen Täler sind bislang nur etwas für wenige Eingeweihte.
Je näher ich meinem Ziel komme, umso enger und kurviger werden die Straßen. Nach einer Wegbiegung ist der Blick frei auf die Abtei. Sie ist malerisch eingebettet in eine Hügellandschaft. Richtig idyllisch!
So habe ich mir einen Ort vorgestellt, an dem ich ein paar Tage ganz in Ruhe verbringe. Ich beziehe eines der einfach gehaltenen Gästezimmer und treffe gleich zum Abendessen im Refektorium (Speisesaal) auf Gleichgesinnte. Yorkshire ist für seine deftige Kost bekannt, abnehmen ist hier nicht angesagt. Mit den anderen Gästen nehme ich morgens und abends an den Gebeten der Benediktinermönche teil. Der einstimmige, eindringliche Gesang der Ordensbrüder im gregorianischen Stil stimmt in den Tag ein oder beendet ihn. Auf mich wirken diese Rituale beruhigend und meditativ.
Im Vergleich zur Kathedrale von York ist das Kloster noch jung. Vor über 200 Jahren kamen Brüder des Benediktinerordens nach jahrhundertelangem Warten aufgrund des Verbots des katholischen Glaubens nach England zurück. An diesem abgeschiedenen Ort üben sie seit Ende des 18. Jahrhunderts ihren Glauben wieder aus. Die Abteikirche und Gebäude zum Leben und Arbeiten der zeitweise über 100 Ordensbrüder errichteten sie in mehreren Abschnitten – zu einem großen Teil mit Steinen aus einem benachbarten eigenen Steinbruch.
Zur Abtei gehören fast 500 Hektar Grundfläche – genügend Raum für ausgedehnte Spaziergänge, die über große Rasenflächen führen bis hin zu kleinen Seen und Waldflächen. Die vielen mächtigen, freistehenden Solitärbäume haben es mir besonders angetan. An einer Stelle bewundere ich eine riesige Scheinzypresse, ein Stück weiter eine dunkelrote Blutbuche.

Ausblick
Wunderschöner Blick von der Terrasse in den Klostergarten

Hortensie
Wunderschöne Blüten, die zauberhaft vor den alten Mauern wirken.